Anhang 1 –  Hintergrundinformation

2.1. Gesetzliche Vorgaben

 

Die gesetzliche Vorgabe zur Einführung gestufter Studiengänge ergibt sich aus 19 HRG (1998). Die zunächst vorgesehene Erprobungsklausel des 19 HRG wurde 2002 aufgehoben, so dass die Hochschulen nun regulär Bachelor und Masterstudiengänge einführen. Zum WS 2004/05 werden nach Auskunft der HRK 1253 grundständige Bachelorstudiengänge (764 an Universitäten und 482 an Fachhochschulen) sowie 1308 Masterstudiengänge angeboten, sie machen damit zur Zeit gut 9 % aller Studienmöglichkeiten aus. Bis zum Juni 2004 waren insgesamt 493 Studiengänge akkreditiert, davon 232 mit Auflagen; für 645 Studiengänge ist die Akkreditierung beantragt.10) Ein Blick auf den Hochschulkompass des Akkreditierungsrates zeigt, dass die Umstellung auch in den Bereichen der Rechts- und Sozialwissenschaften (an Fachhochschulen) in vollem Gange ist.

 

Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und die Kultusministerkonferenz (KMK) haben beschlossen, als Verfahren der Qualitätssicherung von Studiengängen keine Rahmenprüfungsordnungen mehr vorzugeben, sondern nach und neben den Verfahren einer internen und externen Evaluation der Fachbereiche nun die Akkreditierung der neuen Programme einzuführen. Die (neuen) Studiengänge werden staatlich genehmigt; die Qualitätssicherung erfolgt über das Steuerungsinstrument der Akkreditierung. Für die Hochschulen in privater Trägerschaft (z.B. die kirchlichen Fachhochschulen) wird auch noch z.B. im Bundesland Baden-Württemberg eine institutionelle Akkreditierung durch den Wissenschaftsrat gefordert. Die Prüfkriterien im Rahmen der Evaluationsverfahren und Akkreditierungsverfahren weisen zwar viele Gemeinsamkeiten auf, stellen aber zusätzliche erhebliche Anforderungen für die Hochschulen dar. Eine zentrale Aufgabe für die Qualitätssicherung liegt nun bei den Akkreditierungsagenturen, die vergleichbaren Standards herauszubilden und die Fachlichkeit in den sozialen Berufen zu gewährleisten. Dies kann nach Auffassung der BAGHR aber nur in einem kooperativen Prozess der Abstimmung mit den Bildungsproduzenten, der Hochschulentwicklung und der Praxis als Abnehmerseite gelingen.

 

Die aktuellen Reformbemühungen um (Erst-)Ausbildungen im gestuften System vermitteln zur Zeit noch ein ausgesprochen zwiespältiges Bild:

  • Zum einen zeigen sich Veränderungen als Binnenreform in der Diskussion der ausbildenden Institutionen. So versuchen sich Fachschul- und Fachhochschul-ausbildung neu zu positionieren und treiben nicht zuletzt deshalb unterstützt durch (bildungs) politische Vorgaben neue Studiengänge und Abschlussarten voran. Zu beachten sind aber auch die zumeist inneren Ausbildungsreformen, die sich in der Weiterentwicklung und Umstrukturierung einzelner Ausbildungsgänge äu ern. Zugleich scheinen die ausbildenden Institutionen durch den Versuch des Upgrading" bestehender Ausbildungsgänge oder Einführung neuer Bachelor- und Masterstudiengänge vorrangig ihre eigene Etablierung und Profilierung auf dem Bildungsmarkt" voranzutreiben. Die Abnehmerseite der Ausgebildeten ist an diesen Prozessen kaum beteiligt; und inwieweit Akkreditierungsagenturen hier positive Effekte nach sich ziehen, bleibt ebenfalls abzuwarten.
  • Zum andern verlangen erweiterte Anforderungen in den Arbeitsfeldern wie z.B. die aktuell politisch stark diskutierten Themen der vor- und au erschulischen Bildung, die zunehmende Flexibilisierung von Hilfen, Fragen der Migration und verstärkter Partizipation von Adressaten und sozialem Nahraum sowie organisationsspezifische Kenntnisse im Hinblick auf Qualität, Controlling oder Management Kompetenzen von den in sozialen Berufen Tätigen, für die die Frage nach einer angemessenen Qualifikation im Hinblick auf Rechtskenntnisse und Rechtsanwendungskompetenzen nicht einfach zu beantworten ist.
  • Schließlich werden mit Blick auf die vermeintlich zunehmend prekärer werdende Finanzlage der öffentlichen Haushalte im politischen Raum die Gedanken immer lauter, in denen eine Flexibilisierung" der Personalstandards, sprich: eine Absenkung der damit verbundenen Kosten, ggf. auch zulasten von Qualität und Professionalität gefordert wird.

Zu klären ist deshalb, inwieweit Ausbildungsreformen nicht verstärkt auf eine engere Verzahnung der vorhandenen Formen und Niveaus der Ausbildung im Nebeneinander von Fachschule, Fachhochschule und Universität abzielen müssen und wie dabei zugleich eine stärkere Modularisierung der Ausbildungsinhalte sowie eine verbesserte Abstimmung vorhandener Ausbildungen auf die veränderten Praxiserfordernisse zu erreichen ist.11)

 

2.2. Bildungspolitische Herausforderung

  • Die bildungspolitischen Perspektiven und Konsequenzen, die sich aus dem Zusammenhang mit der Internationalisierung der Hochschulausbildungen im sog. Bolognaprozess ergeben, wirken sich auch auf die oben genannten Binnenreformüberlegungen in den Ausbildungen im gesamten System der Sozialen Berufe aus. Hinzu kommt, dass gesellschaftliche Umbrüche, sich verändernde Lebenslagen und Problemlagen insbesondere aus der Sicht der Praxis zu veränderten Anforderungsprofilen (Kompetenzprofilen) für die sozialberuflichen Fachkräfte führen, auf die in der Aus-, Fort- und Weiterbildung reagiert werden muss.
  • Die gegenwärtigen sozialpolitischen Reformvorhaben in den Bereichen der sozialstaatlichen Leistungsgesetze (einschlie lich der Föderalismusdebatte) sind auch angesichts der Diskussion um die Verteilung der knapper werdenden finanziellen Ressourcen zwischen Bund- Ländern und der Kommunen zur Gewährleistung der Qualität der sozialstaatlichen Dienstleistungen auf kommunaler Ebene mit entscheidende Einflussgrö en für die Neuorganisation der sozialen Dienste und für die Bestimmung der Qualität und Positionierung der sozialberuflichen Fachkräfte im Leistungsprofil Sozialer Dienste von allgemeinem Interesse (z.B. als Folge der Hartz IV Reform das Profil des Fallmanagers im Jobcenter / nach SGB II).
  • In diesem Zusammenhang müssen auch die Prozesse mitbedacht werden, die sich mit der Regulierung, bzw. Deregulierung und Laisierung bisher professionell erbrachter Dienstleistungen befassen. Bei der Personalentwicklung und Personalplanung für die sozialen Dienste müssen daher auch die Fragen der Wertschätzung sozialer Berufe und einer angemessenen laufbahn- und tarifrechtlichen Einordnung und damit letztlich die Bezahlbarkeit professioneller sozialer Dienste geklärt werden. Schlie lich bedingt die Einbeziehung des ehrenamtlichen und bürgerschaftlichen Engagements in das Leistungsprofil eine Neubestimmung der jeweiligen Qualität und des Verhältnisses von professionellen Fachkräften und ehrenamtlich Tätigen in den sozialen Diensten.

Die in der RKF zusammengeschlossenen kirchlichen Hochschulen Deutschlands haben als Fortschreibung der Position der RKF vom Mai 1999 ( Moritzburger Beschluss") am 27.4./7.6.2004 ein Eckpunktepapier zur Ablösung des Diplomstudienganges Soziale Arbeit durch das konsekutive Studienmodell BA/MA beschlossen, mit besonderer Betonung der Sicherung von Mindeststandards, der Integration des Praxisbezuges für die Berufsqualifizierung durch den ersten Abschluss (BA) im gestuften Modell sowie der damit verbundenen staatlichen Anerkennung.

 

Die Fachbereichstage der Fachhochschulen erarbeiten gegenwärtig vergleichbare Ziele, Inhalte und Strukturen für die gestufte Ausbildung. Der Fachbereichtag Soziale Arbeit hat ein umfassendes Papier zur Modularisierung in die Diskussion gebracht, mit der die bisherigen Lernziele und Inhalte der Fachhochschulausbildung in den Diplomstudiengängen erfasst werden und Empfehlungen formuliert werden, wie diese Inhalte für die Qualifizierung in einem gestuften modularen Konzept übersetzt werden.

 

In einem gemeinsamen Kolloquium am 11.2.2004 der Deutschen Gesellschaft für Sozialarbeit (DGS), des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit (DBSH), des Fachbereichstages Soziale Arbeit und des Fachausschusses Soziale Berufe des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (Frankfurt/Berlin) wurden Eckpunkte zu einer Empfehlung zur Profilierung von Masterstudiengängen in Sozialer Arbeit formuliert. (vgl. Anlage / mit Positionspapier des DBSH zur Qualitätssicherung und Berufsschutz durch die Einrichtung von Berufsregister, Kammer und Berufsgesetz)

 

Aus der Sicht des Deutschen Vereins ist zu ergänzen, dass die staatliche Anerkennung der Ausbildungsabschlüsse an den Fachhochschulen im Sinne des Fachkräftegebotes als ein wichtiges Gütesiegel" einer praxisbezogenen, berufsbefähigenden Ausbildung von Sozialarbeitern und Sozialarbeiterinnen gilt. Damit war und ist sie die Voraussetzung für die bertragung hoheitlicher Tätigkeiten an Sozialarbeiter in den Sozialen Diensten der öffentlichen und freien Träger. Darüber hinaus ist die staatliche Anerkennung umfassend rechtlich z.B. im Dienstrecht, im Datenschutzrecht und im Recht der Erbringung von Sozialleistungen ( z. B. im SGB VIII) verankert. Verbunden ist mit ihr zudem das Interesse an einer Herausbildung national wie auch international vergleichbarer Standards zu ihrer Weiterentwicklung und Legitimation der Profession. Weiterhin galt sie bisher als gleichwertig mit der entsprechenden Verwaltungsprüfung für Verwaltungsfachkräfte des gehobenen Dienstes und schuf damit die Voraussetzung für eine produktive Kooperation beider Berufsgruppen in den arbeitsteilig organisierten Prozessen in den sozialen Diensten der öffentlichen Verwaltung.15)

 

 

10) Angaben des Akkreditierungsrates 01.06.2004

11) vgl. hierzu die Positionierung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, Frankfurt/Berlin > Eckpunkte zur Modularisierung, NDV
     9/2005, S. 307 ff

12) vgl. die Empfehlung des DV in NDV 3/2004
13) vgl. dazu Bauer, Jost: "Going europe / - Wie viel Standard braucht Europa?, in:
14) Wilhelm Klüsche (Hrsg.): Modularisierung in Studiengängen der Sozialen Arbeit, Schriften des FB Sozialwesen der HS Niederrhein, Band 36 /
    Mönchengladbach 2003

15) vgl. NDV